Bio­gra­fie

Die stark auto­bio­gra­phisch beein­fluss­ten Foto­ar­bei­ten der Münch­ner Künst­le­rin Verena Frensch (* 1970) zei­gen oft­mals Land­schaf­ten und Sze­ne­rien, die sich dem tra­dier­ten Erfah­rungs­wis­sen ent­zie­hen, denn es sind albtraumhaft-irreal ver­klärte Orte der post­a­po­ka­lyp­ti­schen Zeit, die ihre para­die­si­sche Unschuld durch destruk­tive zivi­li­sa­to­ri­sche Ein­griffe ver­lo­ren haben. Sofern Men­schen über­haupt darin vor­kom­men, erschei­nen sie des­ori­en­tiert, ohne Ziel und Zuge­hö­rig­keit, ste­tig auf der ver­geb­li­chen Suche nach Ver­or­tung und sich selbst. Diese Bil­der ent­fal­ten eine um so beun­ru­hi­gen­dere Bild­wir­kung, als jene fata­lis­ti­schen Zukunfts­vi­sio­nen in hyper­rea­lis­ti­scher Prä­senz vor die Augen des Betrach­ters tre­ten – und zugleich unter­schwel­lig einen ande­ren, posi­ti­ven Welt­ent­wurf her­auf­be­schwö­ren, näm­lich die Heil­wer­dung des irdi­schen Para­die­ses.
Dies ist auch das Thema der drei­tei­li­gen Serie „I am here, await­ing“ von 2006: Bei Bild Nr. 1 zeich­nen sich vor einer dra­ma­ti­schen Wol­ken­ku­lisse Hoch­haustürme ab, doch es gibt kei­ner­lei Hin­weise auf Bewoh­ner, und es ver­fes­tigt sich die Ahnung, dass mensch­li­ches Leben hier gene­rell unmög­lich gewor­den ist. Im zwei­ten Bild öff­net sich der Blick über eine medi­ter­rane Hügel­lan­schaft in schwefelgelb-dunstigem Gegen­licht, in die sich von rechts ein auf Stel­zen ste­hen­der monu­men­ta­ler Bau­kom­plex, der an eine Öhl­bohr­platt­form oder eine Raum­sta­tion erin­nert, ins Bild schiebt. Wie­derum feh­len Anzei­chen einer Bele­bung, ja zwi­schen gigan­to­ma­ni­scher Erobe­rung des Land­schafts­rau­mes und End­zeit­stim­mung wird ein kau­sa­ler Zusam­men­hang her­auf­be­schwo­ren. Das dritte Bild schließ­lich the­ma­ti­siert den zu wei­ten Tei­len voll­zo­ge­nen Unter­gang des kul­tu­rel­len Erbes: Alles Land ist über­flu­tet, rie­sige aus dem Meer ragende Hebe­kräne haben den Par­thenon weit­ge­hend abge­tra­gen, des­sen Spo­lien aus dem Was­ser ragen. Das Zer­stö­rungs­werk ist weit voll­zo­gen, doch wird zugleich die absurde Ver­mes­sen­heit des Unter­fan­gens offen­bar, das antike Bau­werk als Sinn­bild unse­rer geistig-kulturellen Basis besei­ti­gen zu wol­len. So bleibt trotz allen Fata­lis­mus ein Fun­ken Hoff­nung auf Erlö­sung aus dem Teu­fels­kreis des schein­bar Unaus­weich­li­chen.
Zivi­li­sa­ti­ons­kri­tik bestimmt auch die drei­tei­lige Serie „Recei­ver“ (2007): Anten­nen­mas­ten haben sich der Dach­land­schaft offen­bar mit­tel­mee­ri­scher Häu­ser­blocks bemäch­tigt; hin­ter Sand­dü­nen zeich­net sich sche­men­haft eine Groß­bau­stelle ab; eine aus Hoch­haus­blocks beste­hende Stadt mit Fern­seh­turm wird von rie­si­gen Sand­dü­nen bedroh­lich hin­ter­fan­gen.
Diese mit­hilfe von Bild­ma­te­rial aus dem Liba­non gran­dios insze­nier­ten apo­ka­lyp­ti­schen Visio­nen einer aus dem Lot gera­te­nene Zivi­li­sa­tion, die das vor­ge­fun­dene Para­dies bis zur dro­hen­den Selbst­ver­nich­tung zer­stört, beinhal­ten den­noch im Kern den Glau­ben an das Über­le­ben unse­rer natür­li­chen Grund­la­gen. Diese Ein­sicht, die die Bil­der von Verena Frensch ver­mit­teln, mil­dern das Erschre­ckende die­ses Zukunfts­sze­na­rio jedoch nicht ab – die Bot­schaft der Künst­le­rin bricht sich durch die meis­ter­hafte Insze­nie­rung die­ser Bild­wirk­lich­keit nur noch nach­drück­li­cher Bahn.

Cur­ri­cu­lum Vitae
1970 gebo­ren in München
1992–1995 Aus­bil­dung als Mode­gra­fi­ke­rin, Deut­sche Meis­ter­schule für Mode, München
1997–2002 Stu­dium der Visu­el­len Kom­mu­ni­ka­tion, Hoch­schule für Gestal­tung, Karls­ruhe, bei Prof. Gun­ter Ram­bow und Prof. Vol­ker Albus; Diplom
1999–2001 Mas­ter of Arts (CAD), Royal Col­lege of Art, London
2004–2012 Stu­dium an der Aka­de­mie der Bil­den­den Künste, Mün­chen, bei Prof. Karin Knef­fel, Prof. Niko­laus Lang und Prof. Die­ter Rehm (Meis­ter­schü­le­rin); Diplom
2005 Grün­dung der Künst­ler­gruppe „Chamäleon“
2007– Assis­tenz bei Dr. Ste­fa­nie Rosen­thal (Aus­stel­lung Schlin­gen­sief), Haus der Kunst, München
Verena Frensch lebt und arbei­tet in München
Preise und Auszeichnungen
2001 BSI Design Award 2001
2000 Brian Robb Award 2000
Sti­pen­dien
2010–2012 Sti­pen­dium Baye­ri­sches Minis­te­rium für Wis­sen­schaft, For­schung und Kunst
2000 BFWG Cha­ri­ta­ble Foun­da­tion London
1999–2000 The Royal Col­lege of Art Grant
Aus­stel­lun­gen – Aus­wahl (E = Ein­zel­aus­stel­lung, G = Gruppenausstellung)
2017 „Impul­ses“ (E), Ingo Seu­fert – Gale­rie für Foto­gra­fie der Gegen­wart @ Widen­mayer Rechts­an­wälte, München
2017 „Trans­mis­sion“ (E), Ingo Seu­fert – Gale­rie für Foto­gra­fie der Gegen­wart, München
2013 „xyz“ (G), Gale­rie der Künst­ler, München
2012 „him­mel­grau“ (G), Gale­rie Bezirk Ober­bay­ern, München
2011 Jah­res­aus­stel­lung „[R]aussicht Sehn­sucht“ (G) 2011 der Aka­de­mie der Bil­den­den Künste, München
„7 Sterne für Bad Rei­chen­hall“ (G), Bad Reichenhall
2010 „Art Goes Green“ (G), Pra­ter­in­sel, München
„Stran­ger than Para­dise“ (G), Merkel-Collection / Gates of Eden, Mannheim
„Pla­zas Del Deseo“ (G), Kunst­ver­ein Dachau
„Foto­box – 6 Posi­tio­nen zeit­ge­nös­si­scher Foto­gra­fie“ (G), whi­te­BOX, München
2009 „The Woman Next Door“ (G), Aus­stel­lungs­pro­jekt mit Angela Dwyer und Stu­den­ten der Aka­de­mie der Bil­den­den Künste, München
„Tar­get 3“ (G), Tar­get Part­ners, München
Ost­rale (G), Dresden
Jah­res­aus­stel­lung „If Para­dise Is Half As Nice“ (G) 2009 der Aka­de­mie der Bil­den­den Künste, München
„Wun­der­kam­mer — Die Rat­ten stür­men das sin­kende Schiff“ (G), Die Fär­be­rei, München
„Der katho­li­sche Fak­tor in der zeit­ge­nös­si­schen Kunst aus Polen und Deutsch­land“ (G), Gale­rie „Lee­rer Beu­tel“ und His­to­ri­sches Museum, Regensburg
2008 „Pro­duct Pla­ce­ment“ (G), Kre­mer Mühle, München
„Posi­tion Foto­gra­fie“ (G), Gale­rie der Künstler/BBK, München
„Fan­tasy and Fai­ry­ta­les – 200 Jahre Kunst­aka­de­mie“ (G), Muff­at­werk, München
„Pla­net Aqua“ (G), Sap­poro, Japan
Jah­res­aus­stel­lung (G) 2008 Aka­de­mie der Bil­den­den Künste, München
2007 „Kunst­Kraft­Werk“ (G), Open Art 19, München
„Shif­ting Bor­ders“ (G), Junge Kunst in der BMW Welt, Mün­chen (Ankauf)
LfA Kalen­der 2007 „Junge Kunst in Bayern“
„Tar­get 2“ (G), Tar­get Part­ners, München
Darm­städ­ter Tage der Foto­gra­fie 2007 (G), Darmstadt
Jah­res­aus­stel­lung 2007 (G) der Aka­de­mie der Bil­den­den Künste, München
2006 „Tar­get 1“ (G), Tar­get Part­ners, München
„Frau Schäf­fer“ (E), Kur­fürs­ten­straße 5 und Aka­de­mie der Bil­den­den Künste, München
„Face-à-Face – Ansich­ten des Liba­non“ (Film, Per­for­mance, Lec­ture; E), Gas­teig, München
„Glo­bal­hero“ (G), Pho­to­kina Köln
2005 „Cha­mä­leon 1“ (G), Stet­ten­ka­serne, München
2001 “The RCA Sum­mer Show 2001” (G), London
“Vision” (G), Enve­l­ope Gal­lery, London
2000 „Fleisch” (G), Pas­sa­gen der Möbel­messe Köln
1998 „Abschied“ (G), IWKA, Karlsruhe
Pla­kate für Amnesty Inter­na­tio­nal zum 50jährigen Beste­hen der All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rechte (G), Zen­trum für Kunst und Medi­en­tech­no­lo­gie, Karlsruhe
7th Inter­na­tio­nal Tri­en­nial of Poli­ti­cal Pos­ter de Mons (G), Musée des Beaux-Arts, Mons, Belgien
„Demo­kra­tie“, Pla­kat­wett­be­werb zum Tag der Demo­kra­tie, Lan­des­zen­trale für Poli­ti­sche Bil­dung, Stuttgart
Biblio­gra­fie
2012 Kata­log „him­mel­grau“, Mün­chen 2012, S. 20–23
2010 „art­goes­green. Junge Künst­ler kle­ckern, knip­sen und kon­stru­ie­ren für eine Welt von mor­gen“, in: ART­inves­tor 4 (2010), S. 40–41
2009 Kata­log „Thea­ter of Life“ zur Aus­stel­lung im Gar­ten­haus der Aka­de­mie der Bil­den­den Künste Mün­chen, Mün­chen 2009, S. 6–9
Kata­log „Der katho­li­sche Fak­tor in der zeit­ge­nös­si­schen Kunst aus Polen und Deutsch­land“ zur Aus­stel­lung in der Gale­rie „Lee­rer Beu­tel“ und im His­to­ri­schen Museum Regens­burg, Köln 2008, S. 112–113
Kata­log „Wun­der­kam­mer – Die Rat­ten stür­men das sin­kende Schiff“, o. O., o. J. (Mün­chen 2009) S. 111
2007 Kata­log „Shif­ting Bor­ders. Junge Kunst in der BMW Welt“, Mün­chen 2007, S. 14–15
Kalen­der „junge kunst in bay­ern“ der LfA För­der­bank Bay­ern, Mün­chen 2007
Kata­log „Darm­städ­ter Tage der Foto­gra­fie: Über­blick – Kon­struk­tio­nen der Wahr­heit“, Darm­stadt 2007, S. 184–185, 215–216
Kata­log „Schlin­gen­sief — 18 Bil­der pro Sekunde“, Haus der Kunst, Mün­chen 2007
2001 Kata­log “Vision”, Enve­l­ope Gal­lery Lon­don, 2001
1998 “Abschied”. Ein Aus­stel­lungs­pro­jekt der Hoch­schule für Gestal­tung Karls­ruhe, Staat­li­che Hoch­schule für Gestal­tung Karls­ruhe 1998, S. 10–13
1997 Gun­ter Ram­bow: „Stu­den­ten“, Ostfildern-Ruit 1997, S. 296, 317, 331, 420, 477 ff., 547
„5 Jahre Staat­li­che Hoch­schule für Gestal­tung Karls­ruhe“, Karls­ruhe 1997

Port­fo­lio

Verena Frensch

Verena Frensch

Meine Bil­der sind Abbil­der mei­nes inne­ren Erle­bens: Ich foto­gra­fiere sie, kom­po­niere und ‚male‘ sie, bis sie die mei­nem inne­ren Auge vor schwe­ben­den Bil­der wer­den.
Meist sind es ideale Land­schaf­ten in die sich mit­un­ter ver­lo­ren wir­kende Men­schen ver­ir­ren; über­spannt wer­den sie häu­fig von stür­mi­schen und Unheil andro­hen­den Him­meln. Oder es sind ‚gestoh­lene‘ Momente, unge­wöhn­li­che Per­spek­ti­ven und Traum­se­quen­zen, durch die sich immer auch Melan­cho­lie und Gefühle von Fremd­heit, von schutz­lo­ser Aus­ge­setzt­heit in eine unwirt­li­che Welt zie­hen.
Meine Bil­der beun­ru­hi­gen, denn hin­ter ihrer makel­lo­sen Ober­flä­che ver­birgt sich eine erschre­ckende Wahr­heit: Sie sind Sinn­bil­der für einen post­a­po­ka­lyp­ti­schen Welt­ent­wurf und the­ma­ti­sie­ren unsere rast­lose Suche nach dem ver­lo­re­nen Para­dies, dem Eins-Sein mit uns und der uns umge­ben­den Welt.
Sie befra­gen uns, wer wir wirk­lich sind, was wir suchen und was wir wohl machen wer­den, wenn wir fin­den. Ob dann unsere Rast­lo­sig­keit ein Ende haben wird oder nur abge­löst wird von einer wei­te­ren Suche. Und sie befra­gen uns, was wir mit den ver­meint­lich gefun­de­nen Para­die­sen anstel­len, ob wir sie tat­säch­lich so anneh­men kön­nen, ohne sie zu berüh­ren, ver­än­dern und schluss­end­lich zer­stö­ren zu wol­len.“
(Verena Frensch)